Seit Beginn des Jahres gelten Tampons, Binden, Menstruationstassen und Co als Güter des Grundbedarfs. Auf sie wird fortan der reduzierte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent erhoben. Ungeachtet der gesellschaftspolitischen Bedeutung dieser Entscheidung, gestaltet sich der aktuelle Markt um Menstruationshygieneartikel höchst interessant. Die Analyse zeigt: Das enorme Potenzial für nachhaltige Damenhygieneprodukte wird bisher nur unzureichend abgeschöpft.
Um das gesamte Ausmaß des ungenutzten Potenzials zu erfassen, ist zunächst der Blick auf zwei aktuelle Entwicklungen zu richten: Die zunehmende Enttabuisierung der Menstruation sowie ein sich stetig verbreitender Nachhaltigkeitsgedanke.
Enttabuisierung
Obwohl ein Teil der Bevölkerung dem Thema weiterhin nicht völlig unbefangen gegenübertreten kann, sorgt die anhaltende mediale Präsenz für eine fortschreitende Enttabuisierung. Der Menstrual Hygiene Monitorbeispielsweise zeigt, nur noch 15 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer scheuen ein Gespräch zu diesem Thema. Drei Viertel aller Frauen und 60 Prozent der männlichen Bevölkerung haben zudem kein Problem damit, Menstruationshygieneartikel zu kaufen. Diese Entwicklung bietet die Möglichkeit einer innovativen Werbestrategie und Produktplatzierung am Markt.
„Bisherige Kommunikationsstrategien stellten Produkteigenschaften wie Diskretion oder Unsichtbarkeit ins Zentrum ihrer Aussage. Zeitgemäße Kampagnen thematisieren dagegen mit kontroversen Mitteln die politische Dimension der Thematik oder betonen schlicht die Normalität des Vorgangs“, stellt Carina Krämer von SPLENDID RESEARCH fest.
Nachhaltigkeit
Daneben greift auch das steigende Nachhaltigkeitsbewusstsein auf Drogerie- und Hygieneartikel über: Fast zwei Drittel aller Frauen attestieren nachhaltigen Produkten innerhalb dieser Sparte eine hohe Relevanz. 57 Prozent betonen zudem die Wichtigkeit biologisch abbaubarer bzw. wiederverwertbarer Damenhygieneprodukte. Außerdem sprechen sich 72 Prozent gegen die Verwendung von Kunststofffasern und chemischen Zusätzen aus.
„Die sich generell wandelnde Anspruchshaltung schafft demnach zusehends eine breite Grundlage für nachhaltige Produktlinien“, merkt Krämer weiter an.
Aktuelle Marktsituation
Durch eine Analyse der aktuellen Marktsituation wird jedoch deutlich: Trotz des Anspruchs nachhaltige Produkte zu verwenden, benutzt die überwiegende Mehrheit der Menstruierenden aktuell keine Produkte, welche diesen Anforderungen gerecht werden.
Erste Unternehmen, wie Einhorn oder The Female Company, bieten zwar derartige Artikel an, deren Marktanteil bewegt sich jedoch noch im marginalen Bereich. Ähnlich verhält es sich mit wiederverwendbaren Produktlösungen wie Softcups oder Menstruationsslips. Stattdessen dominieren die etablierten Hersteller, wie o.b. und Always, den Markt mit konventionellen Binden- und Tamponangeboten.
Gründe für den Status quo
Die Gründe für den Status quo sind im Falle nachhaltiger Anbieter einfach zu identifizieren. Zwei Faktoren hemmen derzeit das Wachstum: Verfügbarkeit und Preis. Einerseits werden Damenhygieneprodukte weiterhin überwiegend in Drogerien oder Supermärkten vor Ort gekauft. Für über 90 Prozent der Kundinnen waren bisher die oftmals nur über das Internet vertriebenen Alternativprodukte schlicht unsichtbar. Zudem liegen die Preise der nachhaltigen Einwegprodukte nach wie vor deutlich über denen konventioneller Angebote. Für immerhin ein Drittel der Menstruierenden ist dieser Aspekt im Rahmen der Produktwahl entscheidend.
Und die etablierten Hersteller? „Größere Werbekampagnen, die die gesellschaftspolitischen Stimmungen aufgreifen, sind derzeit genauso wenig zu vernehmen, wie Statements zu Ökologie und Nachhaltigkeit. Zudem scheint man den kleineren Herstellern das Feld nachhaltiger Ein- und Mehrwegprodukte zu überlassen. Damit bleibt die Möglichkeit ungenutzt, sich in einem noch entstehenden Marktsegment als Vorreiter zu positionieren“, stellt Krämer abschließend fest.